
Die Menschheit speichert seit Jahrtausenden Daten – sei es in Form von Keilschrift auf Tontafeln oder als cloudbasierte
Datenbanken in Rechenzentren. Doch was können wir heute von den frühen Datenhaltungssystemen lernen? Ein Streifzug durch die Geschichte der Datenverwaltung – von den ersten Buchhaltern
Mesopotamiens bis zur heutigen IT-Welt.
Sebastian Büttner
Keilschrift: Die erste "Datenbank"
📜 Wer? Sumerer, ca. 3.000 v. Chr.
💾 Datenmedium? Gebrannte Tontafeln
⚡ Lesegeschwindigkeit? Langsam (nur per Entzifferung durch Priester)
🔥 Backup? Hitzebeständig, aber schlecht skalierbar
Die Sumerer hatten mit
ihren Tontafeln das erste echte „Datenhaltungssystem“ entwickelt –
und zwar nicht für große Geschichten,
sondern für profane Geschäftsprozesse. Sie hielten Buch über Steuern, Ernten und Handelsverträge.
Was können wir daraus lernen?
- Datenintegrität war damals schon wichtig: Die Tafeln waren beständig gegen Feuer und Wasser – ein Traum für jeden IT-Administrator.
- Langsame Zugriffszeiten: Wer eine Information brauchte, musste einen Schreibermeister finden, der Keilschrift entziffern konnte.
- Kein Redundanzmanagement: Wenn eine Tafel verloren ging, war das Backup oft nicht mehr auffindbar.
Moderne Parallele: Langfristige Datenspeicherung bleibt eine Herausforderung. Während Festplatten ausfallen und DVDs zerkratzen, sind einige dieser 5.000 Jahre alten Tafeln noch heute lesbar. Vielleicht doch ein Argument für „Speicher auf Steinplatten“?
Die Bibliothek von Alexandria: Zentralisierung mit Risiken
📜 Wer? Ptolemäer-Dynastie, 3. Jh. v. Chr.
💾 Datenmedium? Papyrusrollen
⚡ Lesegeschwindigkeit? Hoch – wenn man wusste, wo man suchen musste
🔥 Backup? Fehlanzeige (einmal verbrannt, für immer weg)
Die Bibliothek von Alexandria war der erste große Cloud-Speicher der Antike – eine Sammlung allen Wissens der bekannten
Welt. Man könnte sagen, sie war das erste Google, allerdings ohne Suchalgorithmus und mit einem katastrophalen Sicherheitskonzept.
Was können wir daraus lernen?
-
Zentralisierte Datenspeicherung ist riskant: Der berühmte Brand der Bibliothek zeigt, was passiert, wenn man
alles an einem Ort
speichert, aber kein Backup anlegt. -
Metadaten sind entscheidend: Ohne ein gutes Index-System kann Wissen unauffindbar bleiben – damals wie heute
ein Problem für
schlecht strukturierte Datenbanken. -
Freier Zugang zu Wissen ist Macht: Der Verlust von Alexandria bedeutete einen gewaltigen Rückschritt für die
Wissenschaft.
Heute kämpfen Open-Source-Projekte dafür, Wissen dauerhaft zugänglich zu machen.
Moderne Parallele: Wer all seine Daten nur in einer Cloud speichert, riskiert bei einem Systemausfall den Totalverlust. Die IT-Welt hat aus Alexandria gelernt – deshalb gibt es heute verteilte Systeme und redundante Serverstrukturen.
Mittelalterliche Klosterarchive: WORM-Speicher avant la lettre
📜 Wer? Mönche in ganz Europa, ca. 9.–15. Jh.
💾 Datenmedium? Pergament
⚡ Lesegeschwindigkeit? Begrenzt durch Schreibtempo und Mönchsdisziplin
🔥 Backup? Zweitschriften in anderen Klöstern
Mittelalterliche Klöster waren nicht nur spirituelle Zentren, sondern auch die ersten "Rechenzentren" Europas. Mönche vervielfältigten akribisch Manuskripte und bewahrten so Wissen über Jahrhunderte.
Was können wir daraus lernen?
- WORM-Speicherprinzip: Die Mönche praktizierten "Write Once, Read Many" – ein Konzept, das noch heute in Archivierungssystemen verwendet wird.
- Datensicherheit durch Replikation: Texte wurden absichtlich mehrfach in anderen Klöstern kopiert – eine frühe Version von Offsite-Backups.
- Daten sind machtpolitisch brisant: Viele Dokumente wurden gezielt umgeschrieben oder zensiert – ein Vorläufer der „Datenmanipulation“.
Moderne Parallele: Langfristige Archivierung ist ein Problem der digitalen Welt. Ein gutes Beispiel ist die „Langzeitarchivierung elektronischer Dokumente“ – inspiriert von mittelalterlichen Mönchen.
Lochkarten & Magnetbänder. Der Anfang der modernen Datenhaltung
📜 Wer? IBM, 20. Jh.
💾 Datenmedium? Lochkarten, später Magnetbänder
⚡ Lesegeschwindigkeit? Langsam, aber maschinenlesbar
🔥 Backup? Mehrere Kopien möglich, aber empfindlich für Umweltfaktoren
Lochkartenrechner und Magnetbänder waren die ersten echten maschinenlesbaren Datenspeicher.
Unternehmen und Behörden speicherten damit riesige Mengen an Daten – von Steuerunterlagen bis zu geheimdienstlichen Informationen.
Was können wir daraus lernen?
- Standardisierung ist der Schlüssel: Erst durch normierte Formate konnten Maschinen Daten verarbeiten.
- Medien sind nicht für die Ewigkeit: Magnetbänder waren eine Revolution – aber nur für 20–30 Jahre haltbar.
- Je größer das Datenvolumen, desto wichtiger ist effiziente Speicherung: Die „Big Data“-Ära begann hier.
Moderne Parallele: Festplatten und SSDs haben Magnetbänder längst ersetzt, aber das Prinzip bleibt: Ohne eine durchdachte Speicherstrategie kann Wissen genauso leicht verloren gehen wie die Bibliothek von Alexandria.
Was bleibt?
Wie unser kleiner Streifzug zeigt, haben sich die Herausforderungen der Datenhaltung seit Jahrtausenden kaum verändert. Aus der Art und Weise, wie wir Menschen diese Herausforderungen zu lösen
versucht haben, lässt sich einiges lernen.
Die wichtigsten Lektionen.
- Langlebigkeit beachten: Langfristige Archivierung ist schwieriger, als man denkt.
- Backups sind überlebenswichtig: Nur verteilte Kopien sichern Wissen nachhaltig.
- Metadaten nicht vergessen: Eine gute Suchstruktur entscheidet über den Wert von Daten.
- Technologie ist nicht alles: Selbst die besten Systeme sind nutzlos, wenn niemand sich um ihre Pflege kümmert.
Vielleicht sollten wir also die nächste Datenbank-Strategie mit einer simplen Frage beginnen: Würde das auch auf einer Tontafel überleben? 😉
Über den Autor:
Der Autor ist Co-Gründer von Quantum Beyond, einem europäischen Beschleunigungsprogramm für die Digitalisierung von Unternehmen. Unter dem Label Quantum Beyond Infinity liegt der Fokus auf AI-driven Organization Design, datengetriebenen Strategien und der intelligenten Mensch-Maschine-Kollaboration, um Unternehmen zukunftsfähig und wettbewerbsstark für das KI-Zeitalter aufzustellen.