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Fazit zur AI Action Summit in Paris: Ein starkes Signal – doch Reden ist nicht Machen

Am zweiten und letzten Tag des AI Action Summit in Paris herrschte unter vielen Teilnehmern Aufbruchsstimmung. Zahlreiche AI-Experten und politische Entscheidungsträger lobten die Veranstaltung als wichtiges Zeichen für Europas Ambitionen im globalen KI-Rennen. 200 Milliarden Euro an Investitionen, eine Absichtserklärung von 60 Staaten für „inklusive und nachhaltige Künstliche Intelligenz“ und ambitionierte Pläne für neue KI-Gigafabriken – das klingt beeindruckend. Doch Reden ist nicht Machen. Und genau hier liegt die größte Herausforderung Europas: Vom Signal zur Aktion zu kommen.

Sebastian Büttner

Europa soll ein führender Kontinent werden

Ursula von der Leyen betritt das Rednerpult mit aufrechter Haltung, die Stirn erhoben, und ein Lächeln, das Zuversicht und Stolz zugleich vermittelt. Ihre Stimme ist klar und energisch, als sie die neue Investitionsoffensive verkündet: 200 Milliarden Euro für Europas KI-Zukunft. „Wir möchten, dass Europa ein führender Kontinent bei Künstlicher Intelligenz wird“, erklärt sie voller Überzeugung. Die versprochenen Mittel sollen nicht nur bahnbrechende Forschung fördern, sondern auch die Grundlage für neue europäische KI-Gigafabriken legen, die dem Kontinent endlich jene technologische Souveränität verschaffen könnten, die er dringend braucht.

In ihren Worten schwingt bereits ein Wandel mit: Die Europäische Kommission, die in der Vergangenheit oft durch ihre vorsichtige, regulierende Haltung gegenüber neuen Technologien auffiel, präsentiert sich plötzlich als Mitgestalterin der KI-Zukunft. Es geht nicht mehr primär um die Risiken und Gefahren von KI, sondern darum, diese Technologie aktiv zu formen – eine Kehrtwende, die das Potenzial hat, Europas Innovationsgeist neu zu entfachen.

Doch während die Euphorie für einen Moment die Oberhand gewinnt, bleibt die Realität im Raum spürbar: Ankündigungen allein reichen nicht. Es braucht jetzt mehr als symbolträchtige Erklärungen. Europa hat Reden gehalten, viele theoretische Reden – jetzt muss es handeln.

Zwischen Stolz und Realität: Wo steht Europa wirklich?

Die geplante InvestAI-Initiative klingt auf dem Papier vielversprechend: 200 Milliarden Euro, private und öffentliche Mittel, die in Gigafabriken für KI-Rechenzentren, Start-up-Förderung und Forschung fließen sollen. Ein großer Schritt nach vorne – aber bei weitem nicht genug. Denn während Europa noch redet, haben die USA bereits 500 Milliarden Dollar in ihr „Stargate“-Projekt gesteckt und bauen ihre Dominanz konsequent aus. China wiederum hat bereits über 200 Milliarden Dollar in KI-Infrastruktur investiert und strategische Partnerschaften in Asien und Afrika geknüpft.

 

Dieses Ungleichgewicht der Kräfte spiegelte sich auch in der Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance wider, der die amerikanische KI als den „Goldstandard“ bezeichnete. Seine Worte waren nicht nur ein Lob für die Innovationskraft der USA, sondern auch eine deutliche Warnung an Europa: Zu viel Regulierung kann den Fortschritt töten. Damit zielte er klar auf den erst kürzlich verabschiedeten AI Act ab – eine zentrale Säule der europäischen KI-Strategie.

Europa fällt hier in ein altbekanntes Muster zurück: erst regulieren, dann agieren. Dabei ist der AI Act nicht per se ein Fehler. Im Gegenteil: Klare Regeln und ethische Standards werden auf lange Sicht entscheidend sein. Doch in der aktuellen Phase braucht Europa vor allem eines: Es muss eigene Akzente setzen, starke Technologien aufbauen und internationale Märkte aktiv mitgestalten, bevor es anderen die Regeln vorschreibt.

Dass die USA die Abschlusserklärung der AI Action Summit für eine „nachhaltige und inklusive KI“ demonstrativ nicht unterzeichneten, war hier ein klares Signal: Die Vereinigten Staaten setzen auf Wettbewerb und Geschwindigkeit – nicht auf Dialog und Balance. Für Vance war die Botschaft unmissverständlich: Wer auf dem globalen Markt bestehen will, muss handeln – nicht nur reden.

Vom Signal zur Tat: Was Europa jetzt tun muss

Der AI Action Summit hat starke Signale gesendet. Doch wenn Europa den Anschluss im globalen KI-Rennen schaffen will, müssen den Worten nun konkrete Taten folgen. Drei Prioritäten sind dabei entscheidend:

1. Geschwindigkeit über Bürokratie:
Europa hat gezeigt, dass es Visionen entwickeln kann – jetzt muss es beweisen, dass es diese auch schnell umsetzen kann. Die angekündigten KI-Gigafabriken dürfen keine langfristigen Pilotprojekte bleiben, sondern müssen in den nächsten Monaten sichtbar Gestalt annehmen. Planungsprozesse müssen drastisch verkürzt, bürokratische Hürden abgebaut und der Zugang zu Fördergeldern vereinfacht werden.

2. Fokus auf marktführende Unternehmen:
Initiativen für offene KI und Start-up-Förderung sind wichtige Bausteine, doch sie ersetzen keine europäischen Marktführer. Europa braucht dringend skalierbare Unternehmen, die globale Märkte dominieren und Standards setzen. Beispiele wie Spotify oder Adyen haben gezeigt, dass es möglich ist – aber solche Erfolgsgeschichten müssen die Regel werden, nicht die Ausnahme. InvestAI sollte gezielt Unternehmen fördern, die das Potenzial haben, sich als europäische Champions zu etablieren.

3. Bildung und Fachkräftesicherung:
Ohne Talente bleibt jede noch so große Investition ein leeres Versprechen. Europa muss massiv in die Ausbildung der nächsten Generation von KI-Entwicklern investieren. Das bedeutet nicht nur mehr universitäre Programme, sondern auch Kooperationen mit der Industrie und gezielte Umschulungsmaßnahmen für Fachkräfte in anderen Sektoren. Der Wettlauf um die besten Köpfe wird in den nächsten Jahren entscheidend sein.

Ein Weckruf für Europa?

Der AI Action Summit in Paris könnte als Wendepunkt in die Geschichte eingehen – aber nur, wenn Europa die Energie dieses Gipfels nutzt, um vom Reden ins Machen zu kommen.

Jetzt ist nicht die Zeit für vorsichtige Schritte, sondern für mutige Entscheidungen.

Europa hat das Potenzial, ein globaler Technologieführer zu werden, doch das Fenster schließt sich schnell. Die kommenden Monate werden entscheidend sein, um zu zeigen, ob dieser Gipfel wirklich der Auftakt für eine neue Ära war – oder nur eine weitere schöne Vision, die in den Mühlen der Bürokratie versandet.

Der Ball liegt jetzt bei den europäischen Entscheidungsträgern – die Welt wird nicht warten.
Europa muss handeln. Jetzt.


Über den Autor:

Der Autor ist Co-Gründer von Quantum Beyond, einem europäischen Beschleunigungsprogramm für die Digitalisierung von Unternehmen. Unter dem Label Quantum Beyond Infinity liegt der Fokus auf AI-driven Organization Design, datengetriebenen Strategien und der intelligenten Mensch-Maschine-Kollaboration, um Unternehmen zukunftsfähig und wettbewerbsstark für das KI-Zeitalter aufzustellen.