
Ob das Rad, die Dampfmaschine oder das Internet – bahnbrechende Technologien haben die Welt verändert. Doch ihr Erfolg entschied sich nie allein an ihrer technischen Überlegenheit.
Viel entscheidender war, wie gut sie in das bestehende Denken, Arbeiten und Leben der Menschen passten. Denn der Mensch ist ein Paradox: Er erfindet Fortschritt – und wehrt sich gleichzeitig
dagegen. Höchste Zeit, diesen menschlichen Faktor in die Gestaltung der Digitalisierung von Unternehmen mit einzubeziehen.
Sebastian Büttner
Artikel als Podcast anhören:
Artikel lesen:
Warum sich Innovationen nicht automatisch durchsetzen
Keine Frage: Die Menschheit hat sich nicht durch Stillstand weiter entwickelt. Seit ihren Anfängen hat sie neue Lösungen gesucht und gefunden, um Grenzen zu überwinden – von der Nutzung des Feuers bis zur Digitaltechnik. Und doch hat sich keine der bisherigen Innovationen von allein durchgesetzt. Jede Neuerung musste stets mit den Gesellschaften ihrer Zeit verhandelt werden – bis sie in den "Kanon menschlicher Werkzeuge" mit aufgenommen wurde. Zuletzt ließ sich dieser Prozess beim weltweiten Siegeszug der Videokonferenz beobachten, die in den 1930ern erfunden und nach ihrer wiederholten Markteinführung in den 1970er Jahren fast 50 Jahre sowie eine Pandemie brauchte bis sie breite Akzeptanz fand. Und manchmal werden Innovationen auch offensiv von einer Gesellschaft abgelehnt – selbst, wenn sie aus rein technologischer Perspektive echten Fortschritt ermöglichen.
Google Glass scheiterte nicht an der Technik
Ein prominentes Beispiel hierfür ist Google Glass. Als Google 2013 seine Datenbrille präsentierte, schien sie die Art, wie Menschen mit der digitalen Welt interagieren, revolutionieren zu können: Augmented Reality in Echtzeit, freihändige Navigation, Sprachsteuerung – technologisch war Google Glass seiner Zeit voraus. Doch die Brille setzte sich nie durch, weil sie gegen tief verwurzelte soziale und kulturelle Normen verstieß. Menschen waren es gewohnt, sich beim Gespräch in die Augen zu sehen – nicht auf ein leuchtendes Display an der Brille ihres Gegenübers zu starren. Zudem sorgte die eingebaute Kamera für Misstrauen: War man gerade unwissentlich gefilmt worden?
Kurzum: Die Technologie passte – trotz aller Leistungsfähigkeit – nicht zu den etablierten Verhaltensmustern der Gesellschaft. Google Glass fehlte ein natürlicher Platz im Alltag der Menschen, weil die Menschen die innovative Daten-Brille nicht nahtlos integrieren wollten.
Die menschliche Beharrungskraft
Diese menschliche Beharrungskraft, die Google einen der größten Flops der Firmengeschichte bescherte, ist ein evolutionäres Schutzprinzip, das sich seit Anbeginn der Menschheit bewährt hat. Es ruht auf drei wesentlichen Säulen:
-
Evolution: Überleben durch bewährte Muster
In der Natur sind Risiken oft tödlich. Ein Tier, das eine unbekannte Pflanze frisst, kann vergiftet werden. Ein Jäger, der ein ungewohntes Jagdverhalten ausprobiert, kann leer ausgehen oder verletzt werden. Der Mensch hat diese vorsichtige Strategie von seinen evolutionären Vorfahren geerbt. Unser Gehirn ist darauf ausgelegt, bekannte Handlungsweisen zu bevorzugen, weil sie sich in der Vergangenheit bewährt haben.
-
Energiesparen: Das Gehirn als Ressourcen schonende Maschine
Unser Gehirn verbraucht im Verhältnis zum Körpergewicht eine enorme Menge an Energie – etwa 20% des gesamten Energiehaushaltes. Um diesen Verbrauch zu optimieren, arbeitet es effizient, indem es auf bekannte Muster zurückgreift und Routinen automatisiert. Das bedeutet: Was sich einmal bewährt hat, wird beibehalten, weil es weniger Denkaufwand erfordert. Diese "kognitive Trägheit" führt dazu, dass Menschen neue Technologien oder Arbeitsweisen oft erst dann annehmen, wenn sie nicht mehr anders können oder wenn der Nutzen sehr deutlich wird.
-
Kultur und soziale Stabilität
In sozialen Gruppen ist es riskant, gegen kollektive Normen zu verstoßen. Wer sich radikal anders verhält, läuft Gefahr, ausgeschlossen zu werden. Deshalb entwickeln Gesellschaften Traditionen, Regeln und Routinen, die über Generationen hinweg stabil bleiben. Diese "kulturellen Beharrungskräfte" sorgen für Ordnung – doch sie können auch Fortschritt blockieren. Neue Ideen müssen deshalb in kulturelle Narrative integriert werden.
Wie Innovation in die Gesellschaft gelangt
Der US-amerikanische Soziologe Everett Rogers entwickelte in den 1960er-Jahren das sogenannte Diffusionsmodell, das beschreibt, wie Innovationen sich in der Gesellschaft verbreiten. Neue Technologien werden nicht auf einen Schlag von allen akzeptiert – sie durchlaufen verschiedene Phasen und Gruppen mit unterschiedlicher Risikobereitschaft.
Vorreiter: Innovatoren (2,5%)

Beispiele:
- Die ersten Tesla-Käufer, die bereits Elektroautos fuhren, als es noch kaum Ladesäulen gab.
- Nutzer der ersten Smartphones, wie des IBM Simon (1994) oder des Nokia 9000 Communicator (1996), lange bevor das IPhone die Kategorie populär machte.
- Entwickler, die ChatGPT nutzten, als es noch fehleranfällig und experimentell war
Was in dieser Phase entscheidend ist:
Innovatoren sind technikbegeistert, risikofreudig und experimentierfreudig. Unternehmen sollten hier Prototypen veröffentlichen, offene Beta-Tests starten und eine Community von Enthusiasten aufbauen, die helfen, die Technologie weiterzuentwickeln.
Woran eine Technologie hier scheitern kann:
- Technische Unreife: Das Produkt funktioniert noch nicht zuverlässig oder ist nicht praxistauglich (z. B. selbstfahrende Autos in den frühen 2010ern).
- Mangelnde Entwickler-Community: Ohne engagierte Tester und Entwickler stagniert die Innovation.
- Keine Anschlussfähigkeit: Die Technologie steht isoliert da und kann nicht mit bestehenden Systemen interagieren.
Einflussreich: Early Adopter (13,5 %)

Beispiele:
- Unternehmen, die früh auf Cloud-Computing umgestiegen sind, wie Netflix, das bereits 2010 seine komplette Infrastruktur auf AWS verlagerte.
- Erste Anwender von Kryptowährungen, die Bitcoin als legitime Alternative zu Fiat-Währungen betrachteten.
- Ärzte und Kliniken, die KI-gestützte Diagnosetools ausprobierten, bevor sie von medizinischen Verbänden anerkannt wurden.
Was in dieser Phase entscheidend ist:
Early Adopters sind einflussreich. Sie sind keine reinen Tech-Nerds, sondern Meinungsführer in ihren Branchen. Unternehmen sollten gezielt Case Studies mit ihnen aufbauen, Erfolge kommunizieren und frühe Anwendungsfälle sichtbar machen.
Woran eine Technologie hier scheitern kann:
- Unklare Positionierung: Wenn der Nutzen nicht klar ist, bleibt die Technologie ein Nischenprodukt.
- Hohe Einstiegshürden: Wenn die Anwendung zu kompliziert oder teuer ist, springen selbst technikaffine Nutzer ab.
- Keine überzeugenden Erfolgsgeschichten: Early Adopters brauchen greifbare Vorteile – fehlt es an echten Use Cases, bleibt die Technologie in der Experimentierphase stecken.
Pragmatiker: Frühe Mehrheit (34 %)

Beispiele:
- Unternehmen, die ab 2015 verstärkt auf Remote Work setzten, als Slack und Zoom in den Business-Alltag integriert wurden.
- Lehrer, die digitale Lernplattformen wie Moodle oder Google Classroom in ihre Unterrichtsmethoden aufnahmen, als klar wurde, dass sie Mehrwert bieten.
- Mittelständische Betriebe, die Automatisierungssoftware in ihre Produktion integrierten, als erste Wettbewerber damit Effizienzsteigerungen erzielten.
Was in dieser Phase entscheidend ist:
Die frühe Mehrheit braucht verlässliche und ausgereifte Lösungen. Hier sind Zertifizierungen, Standards und Erfolgsgeschichten gefragt. Unternehmen sollten zeigen, dass die Technologie keine
Spielerei mehr ist, sondern konkrete Probleme löst und wirtschaftlichen Nutzen bringt.
Woran eine Technologie hier scheitern kann:
- Mangelnde Stabilität: Wenn das Produkt noch Fehler aufweist oder regelmäßig scheitert, wird es nicht ernst genommen.
- Fehlende Standards oder Zertifizierungen: Ohne offizielle Anerkennung bleibt die Skepsis bestehen.
- Unklare ROI-Argumentation: Wenn Unternehmen nicht sehen, wie sich die Technologie konkret auszahlt, wird sie nicht übernommen.
Skeptiker: Späte Mehrheit (34 %)

Beispiele:
- Banken, die erst nach 2020 auf Mobile-Payment-Dienste wie Apple Pay und Google Pay umgestellt haben, nachdem sich der Trend nicht mehr aufhalten ließ.
- Behörden, die jahrzehntelang an Papierakten festhielten und erst durch gesetzliche Vorgaben zur Digitalisierung gezwungen wurden.
- Einzelhändler, die Onlineshops erst nach dem Lockdown 2020 ernsthaft als Teil ihres Geschäftsmodells integrierten.
Was in dieser Phase entscheidend ist:
Die späte Mehrheit setzt Technologien erst ein, wenn sie zum neuen Standard geworden sind. Hier helfen keine Innovationsträume mehr – es braucht handfeste Nachweise für Effizienz, klare gesetzliche Rahmenbedingungen und eine gewisse soziale Normierung ("alle machen es jetzt so").
Woran eine Technologie hier scheitern kann:
- Fehlender sozialer Druck: Wenn es keine allgemeine Erwartung gibt, dass die Technologie genutzt werden muss, bleibt sie ein Nischenprodukt.
- Regulatorische Unsicherheiten: Wenn der gesetzliche Rahmen nicht klar ist, traut sich die späte Mehrheit nicht heran.
- Fehlende Schulungs- und Integrationsangebote: Ohne einfache Einführungsmöglichkeiten bleibt die Adoption aus.
Verweigerer: Nachzügler (16 %)

Beispiele:
- Menschen, die 2024 noch Faxgeräte nutzen und keine E-Mails versenden.
- Unternehmen, die bis heute keine digitale Buchhaltung eingeführt haben.
- Personen, die konsequent auf Smartphones verzichten und bei Tastenhandys bleiben.
Was in dieser Phase entscheidend ist:
Nachzügler akzeptieren Innovationen nur, wenn sie keine andere Wahl mehr haben. Unternehmen sollten keine Energie darauf verschwenden, sie zu überzeugen – sondern darauf setzen, dass sich der Markt von selbst anpasst.
Woran eine Technologie hier scheitern kann:
- Kein gesetzlicher Druck oder wirtschaftlicher Zwang: Ohne externe Faktoren bleiben Nachzügler einfach bei alten Systemen.
- Soziale und emotionale Ablehnung: Manche Technologien sind einfach zu stark mit negativen Assoziationen verbunden (z. B. Google Glass).
Was Unternehmen bei der Einführung von KI aus dem Diffusionsmodell lernen können
Wenn es um die Einführung neuer Technologien geht, sind Unternehmen nicht anders als die Gesellschaft als Ganzes: Sie bestehen aus Menschen mit unterschiedlichen Haltungen gegenüber Veränderungen. Zum Beispiel zum Thema KI. Unternehmen, die Künstliche Intelligenz nachhaltig in ihrer Organisation integrieren wollen, sollten das Diffusionsmodell dementsprechend gezielt nutzen – und nicht gegen seine "natürliche Verbreitungslogik" arbeiten. Dabei ist es entscheidend, jede Phase der Technologie-Einführung bewusst zu steuern, um den erfolgreichen Übergang von einer Phase zur nächsten zu ermöglichen.
Schritt 1: Innovatoren gezielt einbinden

Innovatoren im Unternehmen sind technikaffine Mitarbeitende, die neugierig auf neue Lösungen sind und bereit sind, mit unausgereiften Systemen zu arbeiten. Diese Gruppe muss frühzeitig einbezogen werden, um die KI-Anwendung in einem geschützten Rahmen zu testen und zu verbessern.
Maßnahmen:
- Schaffe eine offene Testumgebung, in der KI-Prototypen ausprobiert werden können.
- Baue „KI-Innovations-Communities“ auf, in denen Pioniere ihre Erfahrungen teilen.
- Entwickle erste Use Cases für spezifische Problemstellungen, an denen KI einen sichtbaren Mehrwert bietet.
Beispiel:
Ein Unternehmen führt eine KI-gestützte Textanalyse-Software ein. Zunächst wird sie nur einem kleinen Kreis von Datenanalysten und Tech-Interessierten zur Verfügung gestellt, die sie in realen Szenarien testen. Ihr Feedback fließt in die Verbesserung des Systems ein, bevor es breiter ausgerollt wird.
Risiken:
Ohne gezieltes Testing kann die KI unausgereift bleiben oder an den falschen Stellen implementiert werden. Wenn Innovatoren nicht früh genug einbezogen werden, fehlen später die internen Fürsprecher.
Schritt 2: Early Adopter als Multiplikatoren nutzen

Early Adopter sind diejenigen, die schnell das Potenzial neuer Technologien erkennen, aber nicht unbedingt Technikexperten sind. Sie benötigen konkrete Erfolgsgeschichten, um Vertrauen in die KI-Anwendung zu gewinnen. Diese Gruppe ist entscheidend, um KI im Unternehmen als wertvolles Werkzeug zu etablieren.
Maßnahmen:
- Identifiziere Fachabteilungen oder Teams, die offen für digitale Veränderungen sind.
- Entwickle interne Pilotprojekte und teile deren Erfolgsgeschichten unternehmensweit.
- Stelle greifbare Vorteile heraus: Wie spart KI Zeit? Welche Fehler reduziert sie?
Beispiel:
Ein Unternehmen führt ein KI-gestütztes CRM-System ein. Zunächst nutzen es nur die datenaffinen Vertriebsteams, die damit ihre Kundeninteraktionen optimieren. Nach ersten Erfolgen berichten sie darüber in internen Meetings – und motivieren andere Teams, das System ebenfalls auszuprobieren.
Risiken:
Ohne sichtbare Erfolgsgeschichten bleibt KI ein abstraktes Konzept. Wenn Early Adopters keine messbaren Vorteile sehen, kann das Vertrauen in die Technologie schwinden.
Schritt 3: Für die frühe Mehrheit Standards und Nachweise liefern

Die frühe Mehrheit braucht Sicherheit. Sie entscheidet sich erst für KI, wenn klare Standards existieren und bewiesen ist, dass sie funktioniert. Unternehmen müssen in dieser Phase Strukturen schaffen, die den reibungslosen Einsatz der KI ermöglichen.
Maßnahmen:
- Entwickle klare Richtlinien für den KI-Einsatz im Unternehmen.
- Führe Benchmarking-Methoden ein, um messbare Erfolge zu dokumentieren.
- Sorge für Weiterbildungen, damit Mitarbeitende sich sicher im Umgang mit KI fühlen.
Beispiel:
Ein Produktionsunternehmen führt KI zur Qualitätssicherung ein. Zunächst werden standardisierte Prüfprozesse definiert und der Erfolg der KI anhand konkreter KPIs gemessen. Erst nach der erfolgreichen Pilotphase wird die Technologie flächendeckend ausgerollt.
Risiken:
Wenn es an klaren Prozessen und Standards fehlt, führt KI zu Unsicherheit und Ablehnung. Mitarbeitende befürchten unklare Verantwortlichkeiten oder fehlerhafte Entscheidungen durch die Maschine.
Schritt 4: Die späte Mehrheit mit sozialer Normierung und Compliance abholen

Die späte Mehrheit entscheidet sich erst für KI, wenn sie in ihrer Umgebung zur Norm geworden ist. Unternehmen müssen daher die Rahmenbedingungen so gestalten, dass der Einsatz von KI nicht mehr als Option, sondern als logische Konsequenz erscheint.
Maßnahmen:
- Betone, dass KI keine Zusatzoption, sondern eine Notwendigkeit für den Unternehmenserfolg ist.
- Setze auf klare Kommunikation: „KI ist keine Bedrohung, sondern ein Werkzeug.“
- Implementiere KI-gestützte Prozesse in zentrale Unternehmensabläufe, sodass ihre Nutzung selbstverständlich wird.
Beispiel:
Ein Konzern führt KI-gestützte Dokumentenautomatisierung ein. Anfangs ist sie optional, doch nach einer Übergangsphase werden manuelle Prozesse abgeschafft – wer nicht mit der KI arbeitet, hat Mehraufwand. Damit wird KI zur neuen Norm.
Risiken:
Wenn die Integration zu abrupt oder ohne ausreichende Kommunikation erfolgt, kann die Belegschaft Widerstand leisten oder nach alternativen (alten) Lösungen suchen.
Schritt 5: Nachzügler zur Anpassung führen

In jedem Unternehmen gibt es eine kleine Gruppe von Mitarbeitenden, die sich gegen Veränderungen sträubt. Unternehmen sollten keine Energie darauf verschwenden, diese Nachzügler aktiv zu überzeugen – sondern sich darauf konzentrieren, die Mehrheit erfolgreich zu transformieren.
Maßnahmen:
- Vermeide zwanghafte Überzeugungsversuche bei den letzten Skeptikern.
- Konzentriere dich darauf, die Mehrheit mit klaren Vorteilen und etablierten Prozessen zu überzeugen.
- Akzeptiere, dass einige Mitarbeitende sich erst anpassen, wenn es unvermeidbar ist.
Beispiel:
Ein Unternehmen führt KI-gestützte Buchhaltungsprozesse ein. Während die meisten Mitarbeitenden sich schnell an die neuen Systeme gewöhnen, gibt es einige wenige, die die alte Methode bevorzugen. Das Unternehmen stellt jedoch den Support für das alte System ein – und die Nachzügler müssen sich letztendlich anpassen.
Risiken:
Zu lange Rücksicht auf Nachzügler zu nehmen, kann den gesamten Transformationsprozess verlangsamen. Unternehmen müssen konsequent bleiben, sobald die Mehrheit KI akzeptiert hat.
Fazit: Widerstand als Teil des Prozesses verstehen – und gezielt nutzen
Die Einführung von KI ist kein einmaliges Projekt, sondern ein langfristiger Veränderungsprozess. Widerstände sind dabei kein Zeichen für Scheitern, sondern ein natürlicher Bestandteil jeder technologischen Evolution. Schon das Rad, die Dampfmaschine und das Internet wurden nicht von heute auf morgen akzeptiert – sie mussten sich ihren Platz in der Gesellschaft erarbeiten. Dasselbe gilt für KI.
Wir haben gesehen: Der Mensch ist ein Paradox. Während er ständig nach Fortschritt strebt, hält ihn seine Beharrungskraft zugleich davon ab, sich sofort auf Neues einzulassen. Doch genau diese
Beharrung ist nicht nur ein Hindernis, sondern ein evolutionär erprobter Filter – sie stellt sicher, dass sich nicht jede beliebige Neuerung unkritisch durchsetzt. Unternehmen sollten diesen
Mechanismus nicht als Gegner, sondern als Kompass begreifen, der ihnen hilft, KI sinnvoll und nachhaltig in ihre Organisation zu integrieren.
Was bedeutet das konkret für Unternehmen?
- Erwartungen realistisch steuern: Widerstände sind kein Zeichen für eine schlechte Technologie – sondern für einen unausgereiften Einführungsprozess. Wer sie ignoriert, wird scheitern. Wer sie versteht, kann sie gezielt überwinden.
- Den richtigen Rhythmus finden: Technologien setzen sich in Stufen durch. Unternehmen müssen den Übergang von einer Nutzergruppe zur nächsten bewusst gestalten – statt auf einen plötzlichen, erzwungenen Wandel zu hoffen.
- KI nicht als Selbstzweck betrachten: Menschen akzeptieren Innovation nicht, weil sie objektiv überlegen ist – sondern weil sie ihnen hilft, ihr Leben oder ihre Arbeit konkret zu verbessern. Unternehmen müssen daher gezielt aufzeigen, welchen praktischen Mehrwert KI in ihrem spezifischen Kontext bietet.
- Mit Narrativen arbeiten: Technologie allein reicht nicht – sie braucht eine Geschichte. Unternehmen müssen das Bild von KI aktiv gestalten, Ängste adressieren und die Technologie als Werkzeug positionieren, das den Menschen unterstützt, statt ihn zu ersetzen.
- Kulturelle Einbettung nicht unterschätzen: Die größten technologischen Revolutionen waren auch gesellschaftliche Veränderungen. Wer KI erfolgreich einführen will, muss sie nicht nur technisch integrieren, sondern auch kulturell verankern.
Letztlich gilt: Fortschritt entsteht nicht durch technologische Überlegenheit allein, sondern durch die Fähigkeit, ihn in bestehenden Strukturen zu verankern. Wer KI in Unternehmen erfolgreich einführen will, muss nicht gegen Widerstände kämpfen – sondern sie klug nutzen. Denn Fortschritt passiert nicht trotz der Beharrungskraft des Menschen, sondern mit ihr.
Über den Autor:
Der Autor ist Co-Gründer von Quantum Beyond, einem europäischen Beschleunigungsprogramm für die Digitalisierung von Unternehmen. Unter dem Label Quantum Beyond Infinity liegt der Fokus auf AI-driven Organization Design, datengetriebenen Strategien und der intelligenten Mensch-Maschine-Kollaboration, um Unternehmen zukunftsfähig und wettbewerbsstark für das KI-Zeitalter aufzustellen.
Artikel zu verwandten Themen:
- KI-Einführung: Was Unternehmen jetzt tun können
- Führung im KI-Zeitalter: Zwischen Kontrolle und Vertrauen