
Können wir uns eine Zukunft vorstellen, in der Künstliche Intelligenz Unternehmen führt? Die Idee klingt nach Science-Fiction, doch in einer Welt, in der Algorithmen bereits heute Kaufentscheidungen beeinflussen und automatisierte Investmentfonds verwalten, scheint dieses Szenario immer näher zu rücken. Oder wird KI allein aus rechtlicher Sicht immer maximal unser Assistent bleiben müssen?
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Wäre es nicht dumm, die KI nicht zum Geschäftsführer zu machen?
Keine Frage: Anno 2025 ist eine KI weder rechtsfähig noch geschäftsfähig – und Unternehmen benötigen eine juristische oder natürliche Person, um Verträge abzuschließen, Steuern zu zahlen oder vor Gericht zu bestehen. Da Maschinen keine eigenen Rechte (oder Pflichten) haben, können sie nicht als Geschäftsführer oder Eigentümer auftreten.
Doch was, wenn wir dieses Grundprinzip hinterfragen? Auf den ersten Blick wirkt es natürlich erstmal absurd, sich eine KI als Geschäftsleiter vorzustellen. Doch denken wir mal über den Tellerrand unserer Gegenwart hinaus. Zum Beispiel dahin, dass es in naher Zukunft ganz normal sein wird, dass wir Geschäftsideen. Business Pläne und Wettbewerbsanalysen von Agentic AI-Bots entwickeln lassen werden. Auch wird es völlig alltäglich sein, dass dieser (oder ein weiterer) Bot auf Basis des Business Plans unser neues Unternehmen verwaltet, die Produktentwicklung organisiert sowie das Kundenbeziehungs-Management übernimmt.
Warum sollte die KI dann also nicht auch das gesamte Geschäft gleich führen dürfen? Schließlich kennt sie die Organisation besser als jeder andere – und kann ihre Interessen dadurch gezielt vertreten. Der Mensch wäre doch in diesem Szenario ohnehin nur der Frühstücksdirektor, der am Ende von den Gewinnen profitiert …
Warum kann er – die gesetzlichen Grundlagen einmal vorausgesetzt – also nicht gleich in die Rolle eines reinen Gesellschafters oder Eigentümers wechseln? Doch an genau dieser Stelle zeigt sich das Dilemma. Vollautomatisierte Unternehmen mögen theoretisch möglich sein, doch in der Praxis bleibt eine entscheidende Frage offen: Wer übernimmt die Verantwortung, wenn etwas schiefläuft?
Mensch & KI als hybrides Modell
Die naheliegendste Entwicklung ist ein Modell, in dem KI und Mensch sich die Unternehmensführung teilen. Heute arbeiten bereits viele Unternehmen mit KI-gestützten Entscheidungssystemen, die
Marktdaten analysieren, Preisstrategien optimieren oder Ressourcen verwalten. Doch die KI trifft keine finalen Entscheidungen – sie liefert nur Vorschläge. Der Mensch bleibt der letzte
Entscheider.
Beispiele:
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Automatisierte Investmentgesellschaften: Algorithmen treffen Kauf- und Verkaufsentscheidungen, während ein Mensch formal die Verantwortung trägt.
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Dynamische Preisgestaltung im E-Commerce: Eine KI passt Preise in Echtzeit an Angebot und Nachfrage an, doch strategische Entscheidungen zur Positionierung trifft das Management.
Doch wie lange kann der Mensch noch die Oberhand behalten? Schon heute vertrauen viele CEOs mehr den datengetriebenen Entscheidungen ihrer KI-gestützten Tools als ihrem eigenen
Bauchgefühl. Algorithmen analysieren Märkte schneller, erkennen Muster in Kundendaten präziser und optimieren Geschäftsmodelle in einer Detailtiefe, die für den Menschen unerreichbar
bleibt.
In der Finanzwelt sind KI-Systeme längst die besseren Analysten: Hedgefonds verlassen sich auf Algorithmen, die in Millisekunden Aktienkurse bewerten und Investitionen tätigen – ganz ohne emotionale Verzerrungen oder Müdigkeit. Im E-Commerce setzen Plattformen wie Amazon oder Zalando auf KI-gesteuerte Preis- und Lagerstrategien, die in Echtzeit auf Angebot und Nachfrage reagieren. Selbst in der Personalführung treffen Maschinen heute bereits objektivere Entscheidungen: KI-gestützte Systeme filtern Bewerbungen, prognostizieren die Fluktuation von Mitarbeitern und schlagen gezielte Weiterbildungsmaßnahmen vor.
Könnte eine KI eine juristische Person werden?
Aktuell gibt es - trotz aller Qualitäten von KI – jedoch keine gesetzliche Grundlage, um eine KI als Unternehmensführer zu registrieren. Unternehmen selbst sind jedoch juristische Personen
– und genau hier setzen einige Technologieexperten an: Warum sollte eine KI nicht eine eigene Rechtsform erhalten?
Denkbare Modelle:
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Eine KI-GmbH, die haftungsbeschränkt agiert und unter regulatorischer Aufsicht steht.
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Eine eigene Steuerkategorie für autonom agierende KI-Systeme.
Das Problem: Wenn eine KI einen Fehler macht, wer haftet? Und wie stellt man sicher, dass sie nicht rein gewinnmaximierend auf Kosten menschlicher Werte agiert? Eine KI kennt keine Moral, nur Optimierung. Sie unterscheidet nicht zwischen legal und legitim, zwischen wirtschaftlichem Erfolg und sozialer Verantwortung – es sei denn, man bringt ihr explizit bei, solche Faktoren in ihre Berechnungen einzubeziehen. Doch selbst dann bleibt die Frage: Wer trägt die Konsequenzen, wenn eine KI-Entscheidung katastrophale Folgen hat? Ein Algorithmus kann keinen Rücktritt einreichen, keine Strafe zahlen und sich nicht vor Gericht verantworten.
Dezentrale autonome Organisationen (DAOs): Wenn das Unternehmen sich selbst besitzt
Trotz dieser möglichen Haftungsrisiken, existieren in der Blockchain-Welt bereits heute sogenannte Decentralized Autonomous Organizations (DAOs). Diese Unternehmen operieren über Smart Contracts, die automatisch Regeln ausführen, ohne dass eine zentrale Instanz notwendig ist. Entscheidungen über Investments, Vertragsabschlüsse oder Ausschüttungen werden durch Algorithmen und Mehrheitsentscheidungen der Token-Halter getroffen – ganz ohne menschliches Management.
Beispiele für autonome Geschäftsmodelle durch DAOs und KI:
- Ein autonomer Online-Marktplatz, der Anbieter verwaltet, Transaktionsgebühren erhebt und sich selbst reguliert. Verkäufer und Käufer interagieren direkt, während die Plattform sich kontinuierlich optimiert – Preise anpasst, Betrug bekämpft und Nachfrageprognosen trifft.
- Eine KI, die durch Smart Contracts eigenständig Dienstleistungen anbietet und Abrechnungen automatisiert. Sie verwaltet digitale Assets, verteilt Ressourcen effizient und passt ihre Strategie in Echtzeit an.
- Investment-DAOs, die algorithmisch Unternehmen analysieren, Kapitalallokationen entscheiden und Gewinne an Stakeholder auszahlen – alles ohne menschliches Zutun.
- Versicherungsmodelle auf Blockchain-Basis, bei denen Schadensfälle automatisch geprüft und Auszahlungen durch Smart Contracts geregelt werden, ohne dass ein Versicherer aktiv eingreifen muss.
Kurzum: Ein Unternehmen muss auch schon heute nicht zwingend von Menschen geführt werden, um zu funktionieren.
Ausblick: Wie es vielleicht werden wird
Noch sind wir nicht an dem Punkt, an dem KI rechtlich Unternehmen führen kann – aber die Mechanismen, die es ermöglichen würden, existieren bereits. Während Blockchain-basierte DAOs nur ein
Nischenphänomen bleiben, zeichnet sich eine viel greifbarere Entwicklung ab: Unternehmen, die als autonome Marktakteure agieren – gesteuert von KI, aber innerhalb eines von Menschen gesetzten
Rahmens.
Stellen wir uns vor: Eine E-Commerce-Plattform, die nicht nur Angebote optimiert, sondern sich eigenständig um Einkauf, Pricing und Marketing kümmert. Ein Finanzdienstleister, der Märkte
analysiert, Kapital allokiert und Portfolios verwaltet – ohne menschliche Analysten, sondern nur unter der Aufsicht eines Vorstands. Oder ein autonom geführtes Logistiknetzwerk, das Warenströme
global steuert, Tarife verhandelt und Lieferketten in Echtzeit anpasst.
Diese Zukunft ist keine dystopische Vision, in der Maschinen die Kontrolle übernehmen. Vielmehr geht es um eine neue Agenten-Ökonomie, in der Unternehmen durch intelligente Systeme
selbstständiger werden und effizienter operieren. Menschen setzen die Rahmenbedingungen, definieren strategische Leitplanken und stellen sicher, dass wirtschaftliche Prozesse nicht nur
datengetrieben, sondern auch ethisch und nachhaltig bleiben.
Die entscheidende Frage ist also nicht mehr, ob KI Unternehmen führen kann – sondern wie wir Unternehmen als intelligente Marktteilnehmer gestalten, die autonom agieren, aber
weiterhin menschlichen Werten verpflichtet sind.
Höchste Zeit, darüber nachzudenken.
Über den Autor:
Der Autor ist Co-Gründer von Quantum Beyond, einem europäischen Beschleunigungsprogramm für die Digitalisierung von Unternehmen. Unter dem Label Quantum Beyond Infinity liegt der Fokus auf AI-driven Organization Design, datengetriebenen Strategien und der intelligenten Mensch-Maschine-Kollaboration, um Unternehmen zukunftsfähig und wettbewerbsstark für das KI-Zeitalter aufzustellen.
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