
Mit jedem Projekt, das abgeschlossen wird, mit jedem Kundenkontakt, mit jeder Produktidee entsteht neues Wissen im Unternehmen. Doch viel davon bleibt ungenutzt – verstreut in Mails, Köpfen
oder alten Dateien. Moderne Unternehmen brauchen einen neuen Umgang mit Wissen: strategisch, zugänglich und intelligent. Wie das geht, zeigt dieser Artikel – mit einem Blick auf smarte
Strukturen, neue Technologien und die Potenziale von Generative AI und AI Agents.
Sebastian Büttner
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Vom mechanischen Gedächtnis zu KI
Im Jahr 1945, kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, schrieb der amerikanische Wissenschaftler Vannevar Bush einen wegweisenden Artikel mit dem Titel "As We May Think". Darin stellte er sich ein Gerät namens "Memex" vor – eine Art mechanisches Gedächtnis, das es Menschen ermöglicht, Informationen miteinander zu verknüpfen und jederzeit wieder abzurufen. Seine Vision war die eines vernetzten, organischen Wissensspeichers, lange bevor es das Internet gab.
Heute – fast 80 Jahre später – steht uns mit Generative AI und KI-gestützten Assistenzsystemen ein Instrumentarium zur Verfügung, das die Idee des Memex realer erscheinen lässt denn je. Unternehmen haben damit die Chance, ihr internes Wissen nicht nur effizient zu speichern, sondern es kontextabhängig, personalisiert und proaktiv bereitzustellen. Wissensmanagement ist somit kein Verwaltungsakt mehr, sondern ein strategischer Hebel für Innovation, Resilienz und Zukunftsfähigkeit.
Was ist Wissensmanagement eigentlich?
Wissensmanagement umfasst alle strategischen, organisatorischen und technischen Maßnahmen, um Wissen im Unternehmen systematisch zu erfassen, zu strukturieren, zu speichern, zu teilen und weiterzuentwickeln. Ziel ist es, das richtige Wissen zur richtigen Zeit an die richtigen Personen zu bringen.
Dabei unterscheidet man zwischen:
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Explizitem Wissen: Dokumentiertes Wissen (z. B. Anleitungen, Prozessdokumentationen, Checklisten)
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Implizitem Wissen: Erfahrungswissen, das oft in Köpfen steckt (z. B. Projekt-Erfahrungen, Kunden-Know-how)
Wie. baut man Wissensmanagement richtig auf?
Ein funktionierendes Wissensmanagement besteht aus mehreren aufeinander abgestimmten Komponenten:
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Wissensstrategie: Welche Wissensbereiche sind für unser Unternehmen erfolgskritisch?
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Struktur & Prozesse: Wer ist wofür verantwortlich? Wie fließt Wissen? Gibt es Wissensverantwortliche (Knowledge Owner)?
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Technologie & Tools: Gibt es ein zentrales Wissensportal oder Wiki? Welche Tools für Suche, Verknüpfungen, Kommentierung?
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Kultur & Anreize: Wird Wissensweitergabe belohnt? Wie wird implizites Wissen sichtbar gemacht?
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Qualitätssicherung & Aktualisierung: Wie stellen wir sicher, dass Wissen aktuell, korrekt und leicht auffindbar bleibt?
Einsatzbereiche von Wissensmanagement im Unternehmen
Wissensmanagement ist nicht nur etwas für die IT oder das Projektmanagement. Es kann in vielen Unternehmensbereichen enorme Mehrwerte schaffen:
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Onboarding & Personalentwicklung
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Kundensupport & Service
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Vertrieb & Angebotsmanagement
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Produktentwicklung & Innovation
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Qualitätsmanagement & Compliance
Gamechanger Generative AI
Mit Generativer AI verändert sich die Rolle von Wissensmanagement grundlegend:
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Statt sich durch Ordnerstrukturen zu klicken, stellt man einfach eine Frage
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Komplexes Wissen wird in natürlicher Sprache zusammengefasst
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Wissenslücken können schneller erkannt und geschlossen werden
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Mehrsprachigkeit ist kein Problem mehr
So wird aus einem passiven Wiki ein aktiver Wissensassistent, der nicht nur reagiert, sondern auch proaktiv Wissen vorschlägt.
AI Agents im Wissensmanagement: Hilfe, wenn man sie braucht
Der nächste Evolutionsschritt sind AI Agents, also digitale Assistenten, die im Hintergrund mitlaufen und kontextbasiert relevante Informationen bereitstellen. Beispiele:
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Beim Ausfüllen eines komplexen Formulars erscheint ein Agent mit den passenden Erklärungen aus der Prozessdoku
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Beim Schreiben eines Angebots werden automatisch Vorlagen und Best Practices vorgeschlagen
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In Meetings liefert der Agent passende Infos zu Kunden, Projekten oder Begriffen im Live-Chat
AI Agents sorgen dafür, dass Wissen nicht mehr gesucht, sondern gefunden wird – genau dann, wenn es gebraucht wird.
Wissensmanagement ist ein Zukunftsprojekt
Wer heute in ein modernes Wissensmanagement investiert, schafft die Grundlage für eine lernende Organisation. Generative AI und AI Agents sind dabei keine Spielerei, sondern Werkzeuge, um
Mitarbeitende zu entlasten, Wissensbarrieren abzubauen und strategische Unternehmensziele schneller zu erreichen.
Die zentrale Frage lautet also nicht mehr: "Haben wir das Wissen irgendwo dokumentiert?", sondern: "Wie machen wir unser Wissen für alle intelligent zugänglich?"
Über den Autor:
Der Autor ist Co-Gründer von Quantum Beyond, einem europäischen Beschleunigungsprogramm für die Digitalisierung von Unternehmen. Unter dem Label Quantum Beyond Infinity liegt der Fokus auf AI-driven Organization Design, datengetriebenen Strategien und der intelligenten Mensch-Maschine-Kollaboration, um Unternehmen zukunftsfähig und wettbewerbsstark für das KI-Zeitalter aufzustellen.